Trigon Raphaeli

Freitag, 14. Dezember 2012

Organisations- und Struktur-Aufstellungen


 Anwendungsbereiche für Organisations- und Struktur-Aufstellungen

1.    Zum Sichtbar-werden-lassen und zur Analyse struktureller „Klemmen"

Organisationsaufstellungen geben Hinweise auf
·        strukturelle Widersprüche in Organisationen,
·        unklare Organisationsstrukturen, z. B. ungenaue Abgrenzung und Überschneidungen
oder unpassende Zuordnungen von Kompetenz- und Aufgabenbereichen;
Passen von Struktur und Aufgabe?
·        unklare Rollen- und Arbeitsplatzbeschreibungen,
·        mangelhafte Kommunikation und Koordination.

Ein Beispiel: Sichtbar wurde das in der Aufstellung einer Abteilung, die kürzlich aus zwei Abteilungen zusammengesetzt worden war, in der alle sieben Mitglieder in unterschiedliche Richtungen schauten, und in der alle Stellvertreter äußerten, sie hätten so gut wie keinen Kontakt zu den übrigen Mitarbeitern.
·         zuviel Arbeit bei zu wenigen Mitarbeitern und umgekehrt
(Über- oder Unterbesetzungen, Unterforderungen oder Überforderungen).
Ein Beispiel: In einer Organisationsaufstellung äußerte eine Stellvertreterin, dass sie das Gefühl habe, in der Abteilung nicht wirklich gebraucht zu werden. Es stellte sich heraus, dass nach einer Umstrukturierung und dem Ausscheiden eines Vorgesetzten für vier gleichgestellte Mitarbeiterinnen in diesem Arbeitsbereich nicht mehr genügend Arbeit vorhanden war und die Mitarbeiterinnen die Lösung gefunden hatten, dass immer eine von ihnen abwesend (krank, in Kur etc.) war.
2.    Zur Vorbereitung und Begleitung von Maßnahmen
       (Analyse und Probehandeln)
·        von Zielfindungsprozessen,
·        in Planungsphasen (Antizipieren von Auswirkungen möglicher Maßnahmen),
·        von Umstrukturierungsvorgängen (z. B. Neuzuordnungen),
Organisationsentwicklungsmaßnahmen und Projektgruppen etc.,
·        von Teamentwicklungsmaßnahmen,
·        von Firmengründungen oder Firmenfusionen, wenn es
(z. B. bei Institutsgründungen) darum ging,
wer Mitgesellschafter oder Mitgründer werden sollte
und wer nicht,
·        von Verhandlungen.
3.    Zur Vorbereitung von Personalentscheidungen
·        Personalauswahl (z. B. bei Einstellungen, Abschätzung der Eignung für bestimmte Positionen; für Assessments; im Rahmen von Nachfolgeregelungen; zur Überprüfung der Folgen möglicher personeller Versetzungen oder geplanter Kündi­gungen). Hier lässt man z. B. den Stellvertreter des Mitarbeiters, dessen Kündigung geplant ist, in der Aufstellung aus dem System treten und überprüft seine Reaktionen und die der verbleibenden Mitarbeiter.
·        Personalauswahl im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen.
4.    Zur Überprüfung der Leitungsqualität und des
       Führungsverhaltens
 
       (siehe auch Anhang II)
·        Adäquate Besetzungen der Leitungspositionen
und der Übernahme von Leitungsfunktionen?
(Verhältnis von:
*  Verantwortungsabgabe und Verantwortungsübernahme,
*  Position und Fähigkeiten,
*  Leistung und Bezahlung,
*  Leistungsanforderung und Unterstützung etc.)

5.    Zur Erzeugung sinnstiftender Hypothesen und Förderung
       von Lösungen in konfliktreichen Beziehungssituationen

Organisationsaufstellungen geben Hinweise für
·   mangelnde Achtung und Würdigungen, Koalitionsbildungen
(z. B. über Hierarchiegrenzen) und Triangulierungen,
·   Kontextvermischungen zwischen privatem und dienstlichem Bereich.
Ein Beispiel: In einer Organisationsaufstellung zur Supervision einer Beratungssituation äußerte der Repräsentant des Beraters, dass er sich viel zu unfrei und zu nah beim Geschäftsführer der beratenen kirchlichen Organisation fühle. Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass der Berater häufige private Kontakte zu dem Geschäftsführer hatte, und so als Berater die Position eines allparteilichen und außen stehenden Dritten nicht einnehmen konnte. Dieses war aber von niemandem angesprochen worden, obwohl es alle Beteiligten wussten.
·   für angemaßtes Verhalten und Verweigerung. Angemaßtes Verhalten wird sichtbar, wenn ein Stellvertreter einen, verglichen mit seiner Stellung im System, unangemessen zentralen Platz einnimmt, sich dort besonders wichtig fühlt oder sich rücksichtslos verhält.
·   für nicht eingenommene Plätze, nicht in Anspruch genommenen Aufstieg, innere Kündigungen, Tendenzen zu gehen, Berentungs- und Aussteigerwünsche.
Ein Beispiel: In einer Aufstellung äußerte die Repräsentantin einer stellvertretenden Abteilungsleiterin, die den aufgestiegenen Abteilungsleiter seit einem Jahr kommissarisch vertrat, dass sie sich müde fühle und am liebsten in Rente ginge. Es stellte sich heraus, dass sich diese Frau zu der Zeit tatsächlich schon sechs Wochen in einer Kur befand und bereits einen Antrag zur frühzeitigen Berentung eingereicht hatte.
·       für Ausklammerungen, Mobbingdynamiken etc.

6.    Zu Klärungen und Bahnungen von Lösungen
       in Familienunternehmen 

Organisationsaufstellungen dienen hier z. B.
·       zur Verdeutlichung der Beziehungen innerhalb einer Unternehmerfamilie oder zwischen mehreren Familiensystemen, zur Klärung der Wechselwirkungen von Familien- und Managementrollen oder zum Ausgleich von Verdienstkonten,
·       der Entflechtung von Familienkultur und Unternehmenskultur,
·       der Klärung von Nachfolgefragen.


7.    Unternehmenskultur und Arbeitsklima
Organisationsaufstellungen geben Hinweise auf
·         das Energieniveau in einer Organisation,
·         (De-)Motivationen, Boykottierungen, innere Kündigungen, Ausbeutungen oder Benachteiligungen, Gemeinschaftsgefühl, Zusammenhalt etc.,
·         Hintergründe und Zusammenhänge für anhaltende Mitarbeiterfluktuationen oder hohe Krankenstände in Arbeitseinheiten.
8.    Informationsgewinnung über fehlenden Rückhalt
       und mangelnde Unterstützung
·        von Seiten der Organisation und / oder
·        von Seiten der Familie.
9.    Zur Ausrichtung von Organisationen (Mitarbeitern) auf Aufgaben,
       Ziele, Kunden
z. B. auch Hinweise der Beziehung von Produktion, Lieferanten, Vertrieb und Kunden zueinander,
10.    Zur Überprüfung des eigenen Platzes in der Organisation /
         im Unternehmen
Ist es ein klarer, energiereicher oder geschwächter oder vorbelasteter Platz (z. B. durch eine ungute Behandlung eines Vorgängers)?
11.    Zur Beratung von Beratern
als Instrument der Supervision (s. auch Schneider 1998) oder im Rahmen eines Coachingprozesses.
12.    Zur Hilfe in Entscheidungssituationen
z. B. bei Fragestellungen wie: Gehen oder Bleiben? Beförderung annehmen oder nicht? Das Eine und/ oder das Andere, diese Richtung und Gewichtung oder eine andere? etc.
 13.    Für Hinweise auf gesundheitliche Gefährdungen
Zeigen Stellvertreter an ihren Plätzen ausgeprägte Schwäche- oder Krankheitsgefühle oder auch stärkere körperliche Symptome, wie Atemnot, Herzdruck oder Kopfschmerzen, ist es gut, eine körperliche Belastung und Gefährdung desjenigen, den sie vertreten, zumindest mit in Betracht zu ziehen.
Ein Beispiel: In einer Aufstellung zeigt der Stellvertreter des Leiters einer Entwicklungsabteilung heftige Herzbeschwerden. Dem Aufstellenden war keine solche Tendenz bekannt. Nach dem Seminar berichtete er, dass der Mitarbeiter während der Zeit des Seminares mit einem Herzanfall in eine Klinik eingewiesen worden war.

Quelle und copyright:
Gunthard Weber, Organisationsaufstellungen: Basics und Besonderes,
in: Gunthard Weber (Hrsg.), Praxis der Organisationsaufstellungen,
Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche,
Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg,
2. korr. Aufl. 2002, S. 34 ff, Anhang S. 80-87

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