Anwendungsbereiche für Organisations- und Struktur-Aufstellungen
1. Zum Sichtbar-werden-lassen und zur Analyse struktureller „Klemmen"
Organisationsaufstellungen geben Hinweise auf
·
strukturelle
Widersprüche in Organisationen,
·
unklare
Organisationsstrukturen, z. B. ungenaue Abgrenzung und Überschneidungen
oder unpassende Zuordnungen von Kompetenz- und Aufgabenbereichen; Passen von Struktur und Aufgabe?
·
unklare
Rollen- und Arbeitsplatzbeschreibungen,
·
mangelhafte
Kommunikation und Koordination.
Ein
Beispiel: Sichtbar wurde das in der Aufstellung
einer Abteilung, die kürzlich aus zwei Abteilungen zusammengesetzt worden
war, in der alle sieben
Mitglieder in unterschiedliche Richtungen schauten, und in der alle
Stellvertreter äußerten, sie hätten so gut wie keinen Kontakt zu den übrigen
Mitarbeitern.
·
zuviel Arbeit bei zu wenigen Mitarbeitern und umgekehrt
(Über- oder Unterbesetzungen, Unterforderungen oder Überforderungen).
Ein
Beispiel: In einer Organisationsaufstellung
äußerte eine Stellvertreterin, dass sie das Gefühl habe, in der Abteilung
nicht wirklich gebraucht zu werden. Es stellte sich heraus, dass nach einer
Umstrukturierung und dem Ausscheiden eines Vorgesetzten für vier
gleichgestellte Mitarbeiterinnen in diesem Arbeitsbereich nicht mehr genügend
Arbeit vorhanden war und die Mitarbeiterinnen die Lösung gefunden hatten,
dass immer eine von ihnen abwesend (krank, in Kur etc.) war.
2. Zur Vorbereitung
und Begleitung von Maßnahmen
(Analyse und Probehandeln)
·
von
Zielfindungsprozessen,
·
in
Planungsphasen (Antizipieren von Auswirkungen möglicher Maßnahmen),
·
von Umstrukturierungsvorgängen (z. B. Neuzuordnungen),
Organisationsentwicklungsmaßnahmen und Projektgruppen etc.,
·
von
Teamentwicklungsmaßnahmen,
·
von
Firmengründungen oder Firmenfusionen, wenn es
(z. B. bei Institutsgründungen) darum ging, wer Mitgesellschafter oder Mitgründer werden sollte und wer nicht,
·
von
Verhandlungen.
3. Zur Vorbereitung
von Personalentscheidungen
·
Personalauswahl
(z. B. bei Einstellungen, Abschätzung der Eignung für bestimmte Positionen;
für Assessments; im Rahmen von Nachfolgeregelungen; zur Überprüfung der
Folgen möglicher personeller Versetzungen oder geplanter Kündigungen). Hier
lässt man z. B. den Stellvertreter des Mitarbeiters, dessen Kündigung geplant
ist, in der Aufstellung aus dem System treten und überprüft seine Reaktionen
und die der verbleibenden Mitarbeiter.
·
Personalauswahl
im Rahmen von Personalentwicklungsmaßnahmen.
4. Zur
Überprüfung der Leitungsqualität und des
Führungsverhaltens (siehe auch Anhang II)
·
Adäquate
Besetzungen der Leitungspositionen
und der Übernahme von Leitungsfunktionen? (Verhältnis von: * Verantwortungsabgabe und Verantwortungsübernahme, * Position und Fähigkeiten, * Leistung und Bezahlung, * Leistungsanforderung und Unterstützung etc.)
5. Zur Erzeugung
sinnstiftender Hypothesen und Förderung
von Lösungen in konfliktreichen Beziehungssituationen
Organisationsaufstellungen geben Hinweise für
·
mangelnde
Achtung und Würdigungen, Koalitionsbildungen
(z. B. über Hierarchiegrenzen) und Triangulierungen,
·
Kontextvermischungen
zwischen privatem und dienstlichem Bereich.
Ein Beispiel: In einer
Organisationsaufstellung zur Supervision einer Beratungssituation äußerte der
Repräsentant des Beraters, dass er sich viel zu unfrei und zu nah beim
Geschäftsführer der beratenen kirchlichen Organisation fühle. Auf Nachfragen
stellte sich heraus, dass der Berater häufige private Kontakte zu dem
Geschäftsführer hatte, und so als Berater die Position eines allparteilichen
und außen stehenden Dritten nicht einnehmen konnte. Dieses war aber von
niemandem angesprochen worden, obwohl es alle Beteiligten wussten.
·
für angemaßtes Verhalten und
Verweigerung. Angemaßtes Verhalten wird sichtbar, wenn ein Stellvertreter
einen, verglichen mit seiner Stellung im System, unangemessen zentralen Platz
einnimmt, sich dort besonders wichtig fühlt oder sich rücksichtslos verhält.
·
für nicht eingenommene
Plätze, nicht in Anspruch genommenen Aufstieg, innere Kündigungen, Tendenzen
zu gehen, Berentungs- und Aussteigerwünsche.
Ein Beispiel: In einer Aufstellung
äußerte die Repräsentantin einer stellvertretenden Abteilungsleiterin, die
den aufgestiegenen Abteilungsleiter seit einem Jahr kommissarisch vertrat,
dass sie sich müde fühle und am liebsten in Rente ginge. Es stellte sich
heraus, dass sich diese Frau zu der Zeit tatsächlich schon sechs Wochen in
einer Kur befand und bereits einen Antrag zur frühzeitigen Berentung
eingereicht hatte.
·
für Ausklammerungen,
Mobbingdynamiken etc.
6. Zu Klärungen und
Bahnungen von Lösungen
in Familienunternehmen
Organisationsaufstellungen
dienen hier z. B.
·
zur Verdeutlichung der Beziehungen innerhalb einer
Unternehmerfamilie oder zwischen mehreren Familiensystemen, zur Klärung der
Wechselwirkungen von Familien- und Managementrollen oder zum Ausgleich von
Verdienstkonten,
·
der Entflechtung von
Familienkultur und Unternehmenskultur,
·
der Klärung von
Nachfolgefragen.
7. Unternehmenskultur
und Arbeitsklima
Organisationsaufstellungen
geben Hinweise auf
·
das Energieniveau in einer
Organisation,
·
(De-)Motivationen, Boykottierungen,
innere Kündigungen, Ausbeutungen oder Benachteiligungen, Gemeinschaftsgefühl,
Zusammenhalt etc.,
·
Hintergründe und
Zusammenhänge für anhaltende Mitarbeiterfluktuationen oder hohe Krankenstände
in Arbeitseinheiten.
8.
Informationsgewinnung über fehlenden Rückhalt
und mangelnde Unterstützung
·
von Seiten der Organisation und / oder
·
von Seiten der Familie.
9. Zur Ausrichtung
von Organisationen (Mitarbeitern) auf Aufgaben,
Ziele, Kunden
z.
B. auch Hinweise der Beziehung von Produktion, Lieferanten, Vertrieb und
Kunden zueinander,
10. Zur
Überprüfung des eigenen Platzes in der Organisation /
im Unternehmen
Ist
es ein klarer, energiereicher oder geschwächter oder vorbelasteter Platz (z.
B. durch eine ungute Behandlung eines Vorgängers)?
11. Zur Beratung von
Beratern
als
Instrument der Supervision (s. auch Schneider 1998) oder im Rahmen eines
Coachingprozesses.
12. Zur Hilfe in
Entscheidungssituationen
z.
B. bei Fragestellungen wie: Gehen oder Bleiben? Beförderung annehmen oder
nicht? Das Eine und/ oder das Andere, diese Richtung und Gewichtung oder eine
andere? etc.
13. Für Hinweise auf
gesundheitliche Gefährdungen
Zeigen
Stellvertreter an ihren Plätzen ausgeprägte Schwäche- oder Krankheitsgefühle
oder auch stärkere körperliche Symptome, wie Atemnot, Herzdruck oder
Kopfschmerzen, ist es gut, eine körperliche Belastung und Gefährdung
desjenigen, den sie vertreten, zumindest mit in Betracht zu ziehen.
Ein Beispiel: In einer Aufstellung
zeigt der Stellvertreter des Leiters einer Entwicklungsabteilung heftige
Herzbeschwerden. Dem Aufstellenden war keine solche Tendenz bekannt. Nach dem
Seminar berichtete er, dass der Mitarbeiter während der Zeit des Seminares
mit einem Herzanfall in eine Klinik eingewiesen worden war.
Quelle
und copyright:
Gunthard Weber, Organisationsaufstellungen: Basics und Besonderes, in: Gunthard Weber (Hrsg.), Praxis der Organisationsaufstellungen, Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg, 2. korr. Aufl. 2002, S. 34 ff, Anhang S. 80-87 |
Freitag, 14. Dezember 2012
Organisations- und Struktur-Aufstellungen
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