Ein wunderbares und lobenswertes
Schweigen ist das der Liebe, in der
unser Verstand ganz still wird, da er
eine Erfahrung macht, die ihn zutiefst
erfüllt. Wir wissen ja, dass im
liebenden Zusammensein beide
Partner schweigen, und die Liebe
ersetzt den Vereinten, was an Worten
fehlt.
Alle Ängste eines Kindes sind vorbei,
wenn die Mutter es in die Arme
nimmt. Es denkt nicht mehr ans
Sprechen und auch die Mutter
schweigt in ihrer Liebe. O wie
unsäglich und unerklärlich ist die
Stille, wenn Gott und die Seele in
Liebe schweigen, wenn er auf sie
herabkommt wie ein Strom des
Friedens, wie ein lieblicher Bach.
Wenn von ihm, der ein lebendiger
Quell ist, schweigend die Wasser des
Lebens fließen, wenn die Worte
aufhören und die Werke beginnen.
Wenn die Seele schweigt, weil sie
nichts mehr zu erbitten weiß, da all
ihre Wünsche erfüllt sind.
Wenn die Seele sich ganz keusch
und geläutert sieht durch die Liebe,
die von ihr hinübergeht zu dem, der
sie erschuf; wenn sie sich so rein
weiß, dass sie den Herrn in sich birgt
, dann schläft sie, weil kein
Denken sie mehr kümmert. Doch ihr
Herz wacht, denn die Liebe
schlummert niemals in dem, der liebt.
Nur ihr Verstand schläft, und ihr Wille
ruht, weil er bei Gott ist und eines
Geistes mit ihm. So lebt sie den
Sonntag der Sonntage, die Ruhe des
Herrn, denn die Nichtaktivität ihrer
Vorstellungskraft bewirkt den Frieden
ihres Willens, der, ganz entflammt
und eingenommen vom Feuer, das
nicht verbrennt, nicht mehr des Holzes
der Betrachtung bedarf, damit die
Flamme der Liebe nicht erlösche.
Die Königin von Saba und der König
Salomon tauschen in abgeschiedener
Stille wunderbare Geschenke
gegenseitiger Liebe aus. Gott spricht
zum Herzen nicht mit Worten,
sondern mit Engelsflügelschlag.
Solche Zeichen sagen mehr, als alle
Worte es vermöchten. Gott und die
Seele schlafen wie vertraute Freunde
zusammen in der Herberge und die
Liebe hat sie einander so angeglichen,
dass sie ununterscheidbar sind: so
sehr, dass man dem einen
zuschreiben wird, was der andere tut.
Francisco de Osuna
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