Trigon Raphaeli

Samstag, 18. Januar 2014

Wunder


Ein wunderbares und lobenswertes
    Schweigen ist das der Liebe, in der
    unser Verstand ganz still wird, da er
    eine Erfahrung macht, die ihn zutiefst
    erfüllt. Wir wissen ja, dass im
    liebenden Zusammensein beide
    Partner schweigen, und die Liebe
    ersetzt den Vereinten, was an Worten
    fehlt.

    Alle Ängste eines Kindes sind vorbei,
    wenn die Mutter es in die Arme
    nimmt. Es denkt nicht mehr ans
    Sprechen und auch die Mutter
    schweigt in ihrer Liebe. O wie
    unsäglich und unerklärlich ist die
    Stille, wenn Gott und die Seele in
    Liebe schweigen, wenn er auf sie
    herabkommt wie ein Strom des
    Friedens, wie ein lieblicher Bach.
    Wenn von ihm, der ein lebendiger
    Quell ist, schweigend die Wasser des
    Lebens fließen, wenn die Worte
    aufhören und die Werke beginnen.
    Wenn die Seele schweigt, weil sie
    nichts mehr zu erbitten weiß, da all
    ihre Wünsche erfüllt sind.

    Wenn die Seele sich ganz keusch
    und geläutert sieht durch die Liebe,
    die von ihr hinübergeht zu dem, der
    sie erschuf; wenn sie sich so rein
    weiß, dass sie den Herrn in sich birgt
    , dann schläft sie, weil kein
    Denken sie mehr kümmert. Doch ihr
    Herz wacht, denn die Liebe
    schlummert niemals in dem, der liebt.
    Nur ihr Verstand schläft, und ihr Wille
    ruht, weil er bei Gott ist und eines
    Geistes mit ihm. So lebt sie den
    Sonntag der Sonntage, die Ruhe des
    Herrn, denn die Nichtaktivität ihrer
    Vorstellungskraft bewirkt den Frieden
    ihres Willens, der, ganz entflammt
    und eingenommen vom Feuer, das
    nicht verbrennt, nicht mehr des Holzes
    der Betrachtung bedarf, damit die
    Flamme der Liebe nicht erlösche.

    Die Königin von Saba und der König
    Salomon tauschen in abgeschiedener
    Stille wunderbare Geschenke
    gegenseitiger Liebe aus. Gott spricht
    zum Herzen nicht mit Worten,
    sondern mit Engelsflügelschlag.
    Solche Zeichen sagen mehr, als alle
    Worte es vermöchten. Gott und die
    Seele schlafen wie vertraute Freunde
    zusammen in der Herberge und die
    Liebe hat sie einander so angeglichen,
    dass sie ununterscheidbar sind: so
    sehr, dass man dem einen
    zuschreiben wird, was der andere tut.

Francisco de Osuna

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