Trigon Raphaeli

Sonntag, 8. Januar 2012

Was geschieht bei Aufstellungen

 
Ein Modell bilden
Wenn  Sie ein Anliegen aufstellen, bilden Sie ein Modell. Sie machen nach außen hin sichtbar, was sich derzeit in Ihrem Inneren abspielt. Dazu bedienen Sie sich der Hilfe von Gruppenteilnehmern (in der Regel fremde Personen), die sich Ihnen freiwillig als Repräsentanten zur Verfügung stellen.
Was passiert dabei konkret?
Sie nehmen die ausgewählten Personen einzeln nacheinander in einer gefassten und konzentrierten Stimmung bei den Schultern oder Armen und stellen sie jeweils an den Punkt im Raum, wo sie Ihrer inneren Vorstellung nach hingehören
(Beispiel: Ihren eigenen Stellvertreter in die Mitte, den Repräsentanten Ihres Chefs an dessen Seite, den Repräsentanten für Ihre Mitarbeiter mit etwas Abstand nach links, den Repräsentanten für Ihre Kunden gegenüber und weiter weg...)

Bereits dieser Vorgang ist in der Regel sehr hilfreich, weil erhellend und aufschlussreich. Ermöglicht Ihnen das aufgestellte, dreidimensionale Bild doch mehrere neue Blickwinkel.
Sie können es mit Abstand aus einer Beobachterposition neu anschauen und auf sich wirken lassen. Dabei distanzieren Sie sich ein Stück davon und sind nicht mehr so stark damit identifiziert. Nicht mehr das Anliegen - was auch immer es sein mag - hat Sie, sondern Sie haben jetzt das Anliegen - zumindest klar im Blick.
 "Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung"
Antoine de Saint-Exupéry
Wie die Repräsentanten zueinander stehen, ist dabei körpersprachlich unmittelbar verständlich. Es ist erlebbar, was „nahe beieinander" heißt,
nicht nur, wenn es sich um Personen handelt, die „sich nahe stehen",
sondern auch wenn es sich um Abstraktes handelt wie Werte, Hindernisse, Ziele, Erfolg etc.


Woran liegt das?
Wir verstehen unmittelbar, was es bedeutet, wenn etwas „hinter uns ist" oder „im Rücken", sei es unterstützend, vergangen oder bedrohlich. Es ist offen-sichtlich, was es heißt, etwas „im Blick" zu haben oder etwas „nicht zu sehen".

Es wird unmittelbar ein-sichtig, worauf sich „die Aufmerksamkeit richtet" und was „nicht wahrgenommen" wird. Es ist schnell erkennbar, wer wen oder was „ansieht" oder „übersieht" oder sich davon „abwendet" ...

Es wird auch erfahrbar, wen es zu wem „hinzieht", wer wem zu nahe „auf den Pelz gerückt" ist oder wer von wem „weg will" und vieles mehr.

Für einige Zeit gibt es jetzt für Sie nichts zu tun - außer aufmerksam Acht zu geben auf die Aussagen der von Ihnen aufgestellten Repräsentanten und die Wirkungen der folgenden Veränderungen. Alles Weitere dürfen Sie der Kompetenz des Leiters und der „Weisheit des aufgestellten Systems" überlassen. Die aufgestellten Personen empfangen "als Organe des aufgestellten Systems" mit ihren Körpern unmittelbar die Wirkungen der Beziehungen und aller Veränderungen untereinander.

Der Umstellungs-Prozess
Wenn die Repräsentanten umgestellt werden und damit die Prozessarbeit beginnt, wird das Modell beweglich. Es wird ummodelliert. Dabei beginnt etwas Ähnliches wie ein Planspiel oder eine Simulation. Jetzt können spezielle Situations-Veränderungen mit ihren Auswirkungen vergegenwärtigt werden. Handlungsalternativen lassen sich testen, indem die Wirkungen auf die anderen Repräsentanten untersucht werden.

Auf symbolische Weise kann zur Probe gehandelt werden. Dabei kommt es entscheidend auf die Rückmeldungen aller an, die zu dieser Aufstellung gehören. Mit ihrer Hilfe wird erkennbar und entscheidet sich, ob das „Problem" behalten, eventuell sogar verschärft wird, oder ob es sich in Richtung einer Lösung bewegt, bei der es allen besser geht.

Eine solche Modellbildung erweist sich als Gruppensimulationsverfahren.
Es zeigt
  • die Struktur eines Anliegens
  • das innewohnende Verhalten
  • die Änderungsdynamik und 
  • die vorhandenen Modifikationsmöglichkeiten.

Innere Achtsamkeit
Obwohl sich Bezeichnungen wie Planspiel, Modellbildung oder Simulation mehr spielerisch oder technisch anhören, hat das Aufstellungsverfahren eher eine große Verwandtschaft mit Körperbewusstsein und innerer Achtsamkeit.

Die Repräsentanten sind eingeladen, nur Unterschiede wahrzunehmen und zu benennen. Sie sollen nichts ausdenken, nichts spielen, nichts leisten! Sie brauchen nur zu spüren:
Welchen Unterschied in ihrem Körpererleben nehmen sie wahr, wenn sie gewählt und gestellt werden? Welche Veränderungen nehmen sie wahr, wenn andere Repräsentanten dazu kommen, umgestellt werden oder ihr Empfinden mitteilen?

Diese Unterschiede sind in einer bewusst aufmerksamen, achtsamen, eher meditativen Haltung am leichtesten zu erfassen. Denn Meditation trainiert die Fähigkeit, zu unterscheiden zwischen mir und dem, was durch mich hindurchgeht.
Viele Repräsentanten gehen sehr leicht und fast selbstverständlich in diese Haltung der inneren Sammlung, Achtsamkeit und Anteilnahme, des Spürens, welche Unterschiede auftreten. Es ist sehr auffallend, wie extrem selten Repräsentanten zum Beispiel den Aufstellungsleiter wahrnehmen.
Oft entsteht eine besonders achtsame Sammlung in der Gruppe. Die Anwesenden erleben Momente schweigender Intensität, nonverbaler Dynamik und Phasen respektvoller Anteilnahme, in denen Wesentliches geschieht und Gefühle intensiv wahrgenommen werden.

"Traum"-Erleben
Von außen betrachtet werden viele Repräsentanten manchmal wie in einer Art leichter Trance erlebt. Auch, wenn die Aufstellung wieder vorbei ist und die Repräsentanten sich "entrollt", (d. h. von den körperlichen Wahrnehmungen des Systems gelöst) haben, empfinden sie ihr Erleben in der Aufstellung fast wie das Erleben in einem Traum oder einem "fremden Film". Sie haben an Prozessen in symbolischer Wirklichkeit teilgenommen. Die Erinnerung an dieses Geschehen ist ähnlich wie die Erinnerung an einen Traum oder an eine Fantasiereise.

Dabei haben sie natürlich während der Aufstellung nie vergessen, wer sie außerhalb der Aufstellung waren, sind und bleiben. Sie bleiben sich ihrer eigenen Körperwahrnehmung und Gedanken bewusst und erhalten zusätzlich die Gefühle, Sinneseindrücke und Reaktionen, die nur im Zusammenhang mit dieser Aufstellung einen Sinn ergeben.
Kurz gesagt: sie „träumen" in der Aufstellung und gleichzeitig wissen sie in jedem Moment, dass sie "träumen". Sie kommen in Resonanz mit etwas außerhalb ihres eigenen Systems, das sie intensiv wahrnehmen, und sind sich dessen bewusst. Ein solches Erleben lässt sich vergleichen mit luzidem Träumen.
Aufstellungen scheinen eine gewisse Ähnlichkeit zu Konzepten wie Traumzeit und Klartraum zu haben: Kurze zeitliche Phasen, in denen sich der Repräsentant ständig bewusst ist, dass er über Resonanz feinfühlig mit etwas anderem mitschwingt und fremde Bewusstseinszustände wahrnimmt.

Es ist den Repräsentanten klar: das bin nicht ich! Diese Wahrnehmung gehört nicht zu mir – es hat nur unmittelbar mit dem Kontext zu tun, in dem ich momentan für jemanden oder etwas anderes stehe. Ich habe mich nur zur Verfügung gestellt. Ich erbringe eine Dienstleistung für das Anliegen eines anderen Menschen und mein Körper dient mir dabei als Instrument zum Reinspüren, was hilfreich und was eher hinderlich ist.

In einer Aufstellung wird das innere Bild vom Anliegen des Aufstellenden nach außen, hier in den Raum gebracht, so dass es für andere Menschen sichtbar und erlebbar ist. Der Klient lässt für sich agieren - und kann dabei von allen Seiten zuschauen und viel daraus lernen.

Wer sind hier die "Träumenden", die sensiblen Empfänger der Botschaften eines anderen, räumlich entfernten Systems? Gehören alle Repräsentanten mit dazu inklusive dem Leiter, und tragen vielleicht auch die Zuschauer und der Gastgeber mit ihrer aufmerksamen Anteilnahme zur Verstärkung der resonanten Energien bei? Befindet sich das ganze System im Wachtraum? Dieser besondere Zustand wird bewusst begonnen, bewusst erlebt und bewusst beendet. Ist diese besondere Vorgehensweise ein induzierter und externalisierter Gruppen-Klartraum?

Sprache des Körperempfindens
Auch ein eher rationaler Vergleich bietet sich an: Aufstellungen sind eine besondere symbolische Sprache. Sprachen sind natürlich immer symbolisch. Eine bestimmte Bezeichnung, in verbalen Sprachen beispeilsweise ein Wort, wird für etwas Bezeichnetes, ein Ding oder einen Vorgang gesetzt. Wenn Sie eine Sprache lernen, so lernen Sie den Zusammenhang zwischen Zeichen und Bezeichnetem.

Neben der gesprochenen Sprache kennen wir auch die Körpersprache. Mit ihr sind wir der Aufstellungssprache sehr nahe, denn das Körpererleben der Repräsentanten liefert die wichtigsten Signale des Aufstellungsbildes und der darin enthaltenen Dynamik.

Eigentlich ist diese Sprache eine überraschend wieder entdeckte Sprache, die schon jeder kennt. Das erklärt, weshalb man keinerlei Vorkenntnisse benötigt, um als Repräsentant stehen zu können.
Es erklärt auch die Mächtigkeit der Erfahrung bei denen, die diese Sprache zum ersten Mal bewusst erleben, ebenso wie bei denjenigen, die - obwohl sie schon viele Hundert Aufstellungen erlebt haben - doch immer wieder neu beeindruckt werden.

Die Elemente einer Aufstellung lassen sich gut mit sprachlichen Elementen vergleichen:
Element der Aufstellung
Sprachliches Element
Repräsentant
Name oder Nominalphrase
(z. B. „Derjenige, zu dem er schaut")
Abstände und Winkel
Prädikate und Relationen
Befindlichkeiten der Repräsentanten
Adjektive und Adverbien
Bild
Satz
Anfangsbild
Satz im Indikativ
Folgebild
Satz im Konjunktiv,
anfangs häufig im Konjunktiv irrealis
Lösungsbild
            Beschreibung der teilweisen Verwirklichung
eines zukünftig möglichen Ereignisses
in der Gegenwart
Folge der Aufstellungsbilder
Erzählen einer Geschichte,
Bilden einer Hypothese,
Formen einer Ableitung
Das Lösungsbild
Den Abschluss einer Aufstellung bildet eine Szene, die der Lösung eines Anliegens mindestens ein oder zwei Schritte näher ist als der Anfang der Aufstellung. Dieses Lösungsbild zeigt nicht etwa, was sein wird. Es ist keine prophetische Vorhersage! Vielmehr zeigt es, was in Bezug auf eine Lösung erforderlich und sinnvoll ist (was sein könnte oder soll).
Das Lösungsbild einer Aufstellung - und oft auch schon einzelne Prozess-schritte - zeigen Möglichkeiten auf. Sie eröffnen uns sozusagen einen Blick aus einem neuen Fenster oder sie öffnen uns eine neue Tür.

Durch den alternativen Blick aus dieser neuen Perspektive ändern sich oft innere Einstellungen grundlegend. Dadurch werden auch Verhaltens-änderungen möglich. Und dadurch begegnen wir unserer Mitwelt auf eine neue Art und Weise.
Wen wundert es da noch, dass unsere Mitmenschen uns auch anders begegnen und sich unsere Lebensumstände und der Erfolg unseres Unternehmens dadurch oft zum Positiven ändern?
Text basiert auf Gedanken von Günter W. Remmert
Quelle:ras-Training.de

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