Trigon Raphaeli

Sonntag, 23. Oktober 2011

Welcher Lebendige, Sinnbegabte,...(Novalis)




~~~*~~~NOVALIS~~~*~~~

Welcher Lebendige, Sinnbegabte,
liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raums um ihn,
das allerfreuliche Licht -
mit seinen Strahlen und Wogen, seinen Farben,
seiner milden Allgegenwart, im Tage.
Wie des Lebens innerste Seele
atmet es die Riesenwelt der rastlosen Gestirne,
die in seinem blauen Meere schwimmen -
atmet es der funkelnde Stein,
die ruhige Pflanze,
und der Tiere vielgestaltete immerbewegte Kraft -
atmen es vielfarbige Wolken und Lüfte
vor allen herrliche Fremdlinge mit den sinnvollen Augen,
dem schwebenden Gange,
und dem tönenden Munde.
Wie ein König der irdischen Natur
ruft es jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen.
Seine Gegenwart allein offenbart
die Wunderherrlichkeit des irdischen Reichs.
Abwärts wend ich mich zu der heiligen,
unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht.
Fernab liegt die Welt -
wie versenkt in eine tiefe Gruft -
wie wüst und einsam ihre Stelle!
Tiefe Wehmut weht in den Saiten der Brust.
Fernen der Erinnerung,
Wünsche der Jugend,
der Kindheit Träume,
des langen Lebens kurze Freuden
und vergebliche Hoffnungen
kommen in grauen Kleidern,
wie Abendnebel nach der Sonne Untergang.
In andern Räumen schlug das Licht auf
die lustigen Gezelte.
Sollte es nie wiederkommen
zu seinen treuen Kindern,
seinen Gärten, in sein herrliches Haus?
Doch was quillt so kühl und erquicklich,
so ahndungsvoll unterm Herzen
und verschluckt der Wehmut weiche Luft?
Hast auch du ein menschliches Herz,
dunkle Macht?
Was hältst du unter deinem Mantel,
das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht?
Du scheinst nur furchtbar -
Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand,
aus dem Bündel Mohn.
In süßer Trunkenheit entfaltest du
die schweren Flügel des Gemüths,
und schenkst uns Freuden, dunkel und unaussprechlich.
Heimlich wie du selbst,
bist Freuden, die uns
einen Himmel ahnden lassen.
Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht
mit seinen bunten Dingen,
wie erfreulich und gesegnet,
des Tages Abschied.
Also nur darum, weil die Nacht dir
abwendig macht die Dienenden,
sätest du in des Raumes Weiten
die leuchtenden Kugeln,
zu verkünden deine Allmacht, deine Wiederkehr,
in den Zeiten deiner Entfernung.
Himmlischer als jene blitzenden Sterne
in jenen Weiten,
dünken uns die unendlichen Augen,
die die Nacht in uns geöffnet.
Weiter sehn sie, als die blässesten jener zahllosen Heere,
unbedürftig des Lichts durchschauen sie die Tiefen
eines liebenden Gemüts,
was einen höhern Raum
mit unsäglicher Wollust füllt.
Preis der Weltkönigin,
der hohen Verkünderin heiliger Welt,
der Pflegerin seeliger Liebe.
Du kommst Geliebte -
Die Nacht ist da -
Entzückt ist meine Seele -
Vorüber ist der irdische Tag
und du bist wieder mein.
Ich schaue dir ins tiefe dunkle Auge,
sehe nichts als Lieb und Seeligkeit.
Wir sinken auf der Nacht Altar,
aufs weiche Lager -
die Hülle fällt
und angezündet von dem warmen Druck
entglüht des süßen Opfers
reine Glut.
Muß immer der Morgen wiederkommen?
Endet nie des irdischen Gewalt?
Unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht.
Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen?
Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit,
und dem Wachen.
Aber zeitlos ist der Nacht Herrschaft,
ewig ist die Dauer des Schlafs.
Heiliger Schlaf!
Beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte
in diesem irdischen Tagwerk.
Nur die Toren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe
als den Schatten, den du mitleidig auf uns wirfst,
in jener Dämmerung, der wahrhaftigen Nacht.
Sie fühlen dich nicht
in der goldenen Flut der Trauben,
in des Mandelbaums Wunderöl
und dem braunen Safte des Mohns.
Sie wissen nicht, daß du es bist,
der des zarten Mädchens Busen umschwebt,
und zum Himmel den Schoß macht -
Ahnden nicht,
daß aus alten Geschichten
du himmelöffnend entgegentrittst
und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seeligen,
unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.
Einst, da ich bittre Tränen vergoß,
da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann
und ich einsam stand an dem dürren Hügel,
der in engem ,dunklem Raum die Gestalt meines Lebens begrub,
einsam, wie noch kein Einsamer war,
von unsäglicher Angst getrieben,
kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch -
wie ich da nach Hilfe umherschaute,
vorwärts nicht konnte und rückwärts nicht -
und am fliehenden, verlöschten Leben
mit unendlicher Sehnsucht hing -
da kam aus blauen Fernen,
von den Höhen meiner alten Seeligkeit
ein Dämmrungsschauer -
und mit einemal riß das Band der Geburt,
des Lichtes Fessel -
hin floh die irdische Herrlichkeit
und meine Trauer mit ihr.
Zusammen floß die Wehmut
in eine neue unergründliche Welt -
Du Nachtbegeisterung,
Schlummer des Himmels kamst über mich.
Die Gegend hob sich sacht empor,
über der Gegend schwebte mein entbundener neugeborener Geist.
Zur Staubwolke wurde der Hügel
und durch die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geliebten.
In ihren Augen ruhte die Ewigkeit -
ich faßte ihre Hände
und die Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band.
Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie Ungewitter -
An ihrem Halse weinte ich dem Leben entzückende Tränen.
Das war der erste Traum in dir.
Er zog vorüber, aber sein Abglanz blieb der ewige,
unerschütterliche Glauben an den Nachthimmel
und seine Sonne, die Geliebte
Nun weiß ich, wann der letzte Morgen sein wird -
wenn das Licht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht,
wenn der Schlummer ewig
und nur ein unerschöpflicher Traum sein wird.
Himmlische Müdigkeit verläßt mich nun nie wieder.
Weit und mühsam war der Weg zum heiligen Grabe
und das Kreuz war schwer.
Wessen Mund einmal die kristallene Woge netzte,
die gemeinen Sinnen unsichtbar,
quillt in des Hügels dunklen Schoß,
an dessen Fuß die irdische Flut bricht,
wer oben stand auf diesem Grenzgebirge der Welt und hinüber sah,
in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz,
wahrlich der kehrt nicht in das Treiben der Welt zurück,
in das Land,
wo das Licht regiert
und ewige Unruh haust.
Oben baut er sich Hütten, Hütten des Friedens,
sehnt sich und liebt, schaut hinüber,
bis die willkommendste aller Stunden ihn hinunter
in den Brunnen der Quelle zieht.
Alles Irdische schwimmt obenauf
und wird von der Höhe hinabgespült,
aber was heilig ward durch der Liebe Berührung,
rinnt aufgelöst in verborgenen Gängen
auf das jenseitige Gebiet,
wo es, wie Wolken sich,
mit entschlummerten Lieben mischt.
Noch weckst du muntres Licht,
den müden zur Arbeit -
flößest fröhliches Leben mir ein.
Aber du lockst mich von der Erinnerung moosigem Denkmal nicht.
Gern will ich die fleißigen Hände rühren,
überall umschauen, wo du mich brauchst,
rühmen deines Glanzes volle Pracht,
unverdrossen verfolgen den schönen Zusammenhang
deines künstlichen Werks,
gern betrachten den sinnvollen Gang
deiner gewaltigen leuchtenden Uhr,
ergründen der Kräfte Ebenmaß,
und die Regeln des Wunderspiels unzähliger Räume
und ihrer Zeiten.
Aber getreu der Nacht bleibt mein geheimes Herz
und ihrer Tochter, der schaffenden Liebe.
Kannst du mir zeigen ein ewigtreues Herz?
Hat deine Sonne freundliche Augen, die mich erkennen?
Fassen deine Sterne meine verlangende Hand?
Geben sie mir wieder den zärtlichen Druck?
Hast du mit Farben und leichtem Umriß sie geschmückt?
Oder war sie es, die deinem Schmuck höhere, lieber Bedeutung gab?
Welche Wollust, welchen Genuß, bietet dein Leben,
die aufwögen des Todes Entzückungen.
Trägt nicht alles was uns begeistert,
die Farbe der Nacht -
sie trägt dich mütterlich
und ihr verdankst du all deine Herrlichkeit.
Du verflögest in dir selbst,
in endlosem Raum zergingest du,
wenn sie dich nicht hielte, dich nicht bände,
daß du warm würdest und flammend die Welt zeugtest.
Wahrlich, ich war, ehe du warst.
Mit meinem Geschlecht schickte die Mutter mich,
zu bewohnen deine Welt
und zu heiligen sie mit Liebe,
zu geben menschlichen Sinn deinen Schöpfungen.
Noch reiften sie nicht, diese göttlichen Gedanken.
Noch sind der Spuren unserer Gegenwart wenig.
Einst zeigt deine Uhr das Ende der Zeit,
wenn du wirst wie unser einer
und voll Sehnsucht auslöschest und stirbst.
In mir fühl ich der Geschäftigkeit Ende,
himmlische Freiheit,
seelige Rückkehr.
In wilden Schmerzen erkenn ich deine Entfernung
von unserer Heimat,
deine Widerstand gegen den alten,
herrlichen Himmel.
Umsonst ist deine Wut, dein Toben.
Unverbrennlich steht das Kreuz,
eine Siegesfahne unseres Geschlechts.
Hinüber wall ich
und jede Pein
wird einst ein Stachel
der Wollust sein.
Noch wenig Zeiten,
so bin ich los,
und liege trunken
der Lieb im Schoß.
Unendliches Leben
wogt mächtig in mir,
ich schaue von oben
herunter nach dir.
An jenem Hügel
verlischt dein Glanz -
ein Schatten bringet
den kühlenden Kranz.
O sauge, Geliebter,
gewaltig mich an,
daß ich entschlummern
und lieben kann.
Ich fühle des Todes
verjüngende Flut,
zu Balsam und Äther
verwandelt mein Blut -
ich lebe bei Tage
voll Glauben und Mut
und sterbe die Nächte
in heiliger Glut
Über der Menschen weitverbreitete Stämme
herrschte vor Zeiten
ein eisernes Schicksal mit stummer Gewalt.
Eine dunkle schwere Binde lag um ihre bange Seele.
Unendlich war die Erde,
der Götter Aufenthalt und ihre Heimat,
reich an Kleinodien
und herrlichen Wundern.
Seit Ewigkeiten stand ihr geheimnisvoller Bau.
Über des Morgens blauen Bergen,
in des Meeres heiligem Schoß
wohnte die Sonne,
das allzündende, lebendige Licht.
Ein alter Riese trug die seelige Welt.
Fest unter Bergen lagen die Ursöhne der Mutter Erde -
Ohnmächtig in ihrer zerstörenden Wut
gegen das neue herrliche Göttergeschlecht
und die befreundeten, fröhlichen Menschen.
Des Meeres dunkle blaue Tiefe
war einer Göttin Schoß.
Himmlische Scharen wohnten in fröhlicher Lust
in den kristallenen Grotten -
Flüsse und Bäume, Blumen und Tiere
hatten menschlichen Sinn.
Süßer schmeckte der Wein
weil ihn blühende Götterjugend
den Menschen gab -
des goldnen Korns volle Garben
waren ein göttliches Geschenk.
Der Liebe trunkne Freuden
ein heiliger Dienst der himmlischen Schönheit.
So war das Leben ein ewiges Fest der Götter und Menschen.
Und kindlich verehrten alle Geschlechter
die zarte, köstliche Flamme
als das Höchste der Welt.
Nur ein Gedanke wars...
Der furchtbar zu den hohen Tischen trat
und das Gemüt in wilde Schrecken hüllte,
hier wußten selbst die Götter keinen Rat,
der das Gemüt mit süßem Troste füllte,
geheimnisvoll war dieses Unholds Pfad,
des Wut kein Flehn und keine Gabe stillte -
Es war der Tod, der dieses Lustgelag
mit Angst und Schmerz und Tränen unterbrach.
Auf ewig nun von allem abgeschieden
was hier das Herz in süßer Wollust regt -
getrennt von den Geliebten, die hinieden
vergebne Sehnsucht, langes Weh bewegt -
schien nur dem Toten matter Traum beschieden,
ohnmächtges Ringen nur ihm auferlegt.
Zerbrochen war die Woge des Genusses
am Felsen des unendlichen Verdrusses.
Mit kühnem Geist und hoher Sinnenglut
verschönte sich der Mensch die graue Larve -
ein blasser Jüngling löscht das Licht und ruht -
sanft ist das Ende, wie ein Wehn der Harfe -
Erinnerung schmilzt in kühler Schattenflut,
die Dichtung sangs dem traurigen Bedarfe,
doch unenträtselt blieb die ewige Nacht,
das ernste Zeichen einer fernen Macht.
Zu Ende neigte die alte Welt sich.
Der lustige Garten des jungen Geschlechts verwelkte
und hinaus in den freieren Raum
strebten die erwachsenen unkindlichen Menschen.
Verschwunden waren die Götter.
Einsam und leblos stand die Natur
entseelt von der strengen Zahl,
und der eisernen Kette Gesetze wurden.
Und in Begriffe wie in Staub und Lüfte
zerfiel die unermeßliche Blüte
des tausendfachen Lebens.
Entflohn war der allmächtige Glaube
und die allverwandelnde, allverschwisternde
Himmelsgenossin, die Phantasie.
Unfreundlich blies ein kalter Nordwind
über die erstarrte Flur
und die Wunderheimat verflog in den Aether
und des Himmels unendliche Fernen
füllten mit leuchtenden Welten sich.
Ins tiefere Heiligtum,
in des Gemüts höhern Raum
zog die Seele der Welt mit ihren Mächten,
zu walten dort bis zum Anbruch
des neuen Tages,
der höheren Weltherrlichkeit.
Nicht mehr war das Licht der Götter aufenthalt
und himmlisches Zeichen -
den Schleier der Nacht warfen sie über sich,
die Nacht ward der Offenbarungen fruchtbarer Schoß.
Mitten unter den Menschen, im Volk,
das vor allen verachtet,
zu früh reif, und der seeligen Unschuld der Jugend
trotzig fremd geworden war,
erschien die neue Welt
mit niegesehnem Angesicht -
in der Armut wunderbarer Hütte -
ein Sohn der ersten Jungfrau und Mutter -
geheimnisvoller Umarmung unendliche Frucht.
Des Morgenlands ahnende, blütenreiche Weisheit
erkannte zuerst der neuen Zeit Beginn.
Ein Stern wies ihr den Weg
zu des Königs demütiger Wiege.
In der weiteren Zukunft Namen
huldigte sie ihm mit Glanz und Duft,
den höchsten Wundern der Natur.
Einsam entfaltete das himmlische Herz sich
zu der Liebe glühenden Schoß,
des Vaters hohen Antlitz zugewandt -
und ruhend an dem ahndungs seelgen Busen
der lieblichernsten Mutter.
Mit vergötterter Inbrunst
schaute das weissagende Auge des blühenden Kindes
auf die Tage der Zukunft,
nach seinen Geliebten,
den Sprossen seines Götterstamms,
unbekümmert über seiner Tage irdisches Schicksal.
Bald sammelten die kindlichsten Gemüter,
von allmächtiger Liebe wundersam ergriffen,
sich um ihn her.
Wie Blumen keimte ein neues, fremdes Leben
in seiner Nähe -
unerschöpfliche Worte
und der Botschaften fröhlichste
fielen wie Funken eines göttlichen Geistes
von seinen freundlichen Lippen.
Von ferner Küste, unter Hellas heiterm Himmel geboren
kam ein Sänger nach Palästina.
Und ergab sein ganzes Herz
dem Wunderkinde:
Der Jüngling bist du, der seit langer Zeit
auf unsern Gräbern steht in tiefem Sinnen -
ein tröstlich Zeichen in der Dunkelheit,
der höhern Menschheit freudiges Beginnen.
Was uns gesenkt in tiefe Traurigkeit,
zieht uns mit süßer Sehnsucht nun von hinnen.
Im Tode ward das ewge Leben kund -
Du bist der Tod und machst uns erst gesund.
Der Sänger zog voll Freudigkeit nach Indostan
und nahm ein Herz voll ewger Liebe mit,
und schüttete in feurigen Gesängen
es unter jenem milden Himmel aus,
der traulicher an die Erde sich schmiegt,
daß tausend Herzen sich zu ihm neigten
und die fröhliche Botschaft tausendzweigig emporwuchs.
Bald nach des Sängers Abschied ward das köstliche Leben
ein Opfer des menschlichen, tiefen Verfalls -
er starb in jungen Jahren,
weggerissen von der geliebten Welt,
von der weinenden Mutter
und seinen Freunden.
Der unsäglichen Leiden dunkeln Kelch
leerte der heilige Mund,
in entsetzlicher Angst,
naht ihm die Stunde der Geburt der neuen Welt.
Hart rang er mit des alten Todes Schrecken,
schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm,
noch einmal sah er freundlich nach der Mutter -
da kam der ewigen Liebe erlösende Hand -
und er entschlief.
Nur wenige Tage hing ein tiefer Schleier
über das brausende Meer -
über das finstre bebende Land.
Unzählige Tränen weinten die Geliebten.
Entsiegelt ward das Geheimnis,
himmlische Geister hoben den uralten Stein vom dunklen Grabe -
Engel saßen bei dem Schlummernden,
lieblicher Träume zartes Sinnbild.
Er stieg in neuer Götterherrlichkeit
erwacht auf die Höhe der verjüngten, neugebornen Welt,
begrub mit eigner Hand
die alte mit ihm gestorbne Welt
in die verlaßne Höhle
und legte mit allmächtiger Kraft den Stein,
den keine Macht erhebt, darauf.
Noch weinen deine Lieben Tränen der Freude,
Tränen der Rührung und des unendlichen Danks
an deinem Grabe -
Sehn dich noch immer freudig erschreckt auferstehn
und sich mit dir -
mit süßer Inbrunst weinen an der Mutter
seeligem Busen
und an der Freunde treuem Herzen -
eilen mit voller Sehnsucht in des Vaters Arm,
bringend die junge kindliche Menschheit
und der goldenen Zukunft unversieglichen Trank.
Die Mutter eilte bald dir nach
in himmlischem Triumph -
sie war die erste in der neuen Heimat bei dir.
Lange Zeiten entflossen seitdem
und in immer höherm Glanze
regte deine neue Schöpfung sich,
und tausende zogen aus Schmerzen und Qualen,
voll Glauben und Sehnsucht und Treue dir nach,
und walten mit dir und der himmlischen Jungfrau
im Reiche der Liebe,
und dienen im Tempel des himmlischen Todes.
Gehoben ist der Stein
Die Menschheit ist erstanden
Wir alle bleiben dein
Und fühlen deine Banden
Der herbste Kummer fleucht
Vor deiner goldnen Schale
Im letzten Abendmale
Wenn Erd und Leben weicht.
Zur Hochzeit ruft der Tod
Die Lampen brennen helle
Die Jungfraun sind zur Stelle
Um Öl ist keine Not.
Erklänge doch die Ferne
Von deinem Zuge schon
Und ruften uns die Sterne
Mit Menschenzung und Ton.
Nach dir, Maria, heben
Schon tausend Herzen sich
In diesem Schattenleben
Verlangten sie nur dich.
Sie hoffen zu genesen
Mit ahndungsvoller Lust
Drückst du sie, heilges Wesen
An deine teure Brust.
So manche die sich glühend
In bittrer Qual verzehrt
Und dieser Welt entfliehend
Nur dir sich zugekehrt
Die hilfreich uns erschienen
In mancher Not und Pein -
Wir kommen nun zu ihnen
Um ewig da zu sein.
Nun weint an keinem Grabe
Für Schmerz, wer liebend glaubt.
Der Liebe süße Habe
Wird keinem nicht geraubt.
Von treuen Himmelskindern
Wird ihm sein Herz bewacht
Die Sehnsucht ihm zu lindern
Begeistert ihn die Nacht.
Getrost das Leben schreitet
Zum ewgen Leben hin
Von innrer Glut geweitet
Verklärt sich unser Sinn.
Die Sternenwelt wird zerfließen
Zum goldnen Lebens Wein
Wir werden sie genießen
Und lichte Sterne sein.
Die Lieb ist frei gegeben
Und keine Trennung mehr
Es wogt das volle Leben
Wie ein unendlich Meer -
Nur eine Nacht der Wonne
Ein ewiges Gedicht -
Und unser aller Sonne
Ist Gottes Angesicht.
Hinunter in der Erde Schoß
Weg aus des Lichtes Reichen
Der Schmerzen Wut und wilder Stoß
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.
Gelobt sei uns die ewge Nacht
Gelobt der ewge Schlummer
Wohl hat der Tag uns warm gemacht
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus
Zum Vater wollen wir nach Haus.
Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb und Treue -
Das Alte wird hintan gestellt
Was kümmert uns das Neue.
O! einsam steht und tiefbetrübt
Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.
Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmut
Geweiht sein süßes Leben
Und Angst und Schmerzen nicht von sich trieb
Damit er uns nur teuer blieb.
Die Vorzeit wo an Blüten reich
Uralte Stämme prangten
Und Kinder für das Himmelreich
Nach Tod und Qual verlangten
Und wenn auch Lust und Leben sprach
Doch manches Herz für Liebe brach.
Die Vorzeit wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch manche seinem Urbild glich.
Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
In dunkle Nacht gehüllet
Und hier auf dieser Welt wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heimat gehn
Um diese heilge Zeit zu sehn.
Was hält noch unsre Rückkehr auf -
Die Liebsten ruhn schon lange
Ihr Grab schließt unsern Lebenslauf
Nun wird uns weh und bange
Zu suchen haben wir nichts mehr -
Das Herz ist satt, die Welt ist leer.
Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer
Mir deucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Heimat Hauch.
Hinunter zu der süßen Braut
Zu Jesus dem Geliebten
Getrost die Abenddämmrung graut
Den Liebenden, Betrübten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoß.
(NOVALIS)
~~~*~~~
Wenn nicht mehr ...
Wer Schmetterlinge lachen hört ...
Wenn nicht mehr ...
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn sich dann wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew´gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
::Wer Schmetterlinge lachen hört ...
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört der Furcht,
die Nacht entdecken.
Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Stier, zum Narr, zum Weisen
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.
Der weiß, daß er nichts weiß,
wie alle anderen auch nichts wissen.
Nur weiß er, was die anderen
und auch er selbst noch lernen müssen.
Wer in sich fremde Ufer spürt
und den Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich,
ungestört von Furcht sich selbst entdecken.
Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst bricht er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt
nimmt er gelassen auf.
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß, wie Wolken schmecken.
Der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht
die Nacht entdecken.
Wer mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben
und ist selbst dann lebendiger
als alle seine Erben
~~~*~~~

Astralis
(1801, aus dem Romanfragment "Heinrich von Ofterdingen", Anfang des zweiten Teils)
An einem Sommermorgen ward ich jung
Da fühlt ich meines eignen Lebens Puls
Zum erstenmal – und wie die Liebe sich
In tiefere Entzückungen verlohr,
Erwacht' ich immer mehr, und das Verlangen
Nach innigerer, gänzlicher Vermischung
Ward dringender mit jedem Augenblick.
Wollust ist meines Daseyns Zeugungskraft.
Ich bin der Mittelpunkt, der heilge Quell,
Aus welchem jede Sehnsucht stürmisch fließt
Wohin sich jede Sehnsucht mannichfach
Gebrochen wieder still zusammen zieht.
Ihr kennt mich nicht und saht mich werden –
Ward ihr nicht Zeugen, wie ich noch
Nachwandler mich zum ersten Male traf
An jenem frohen Abend? Flog euch nicht
Ein süßer Schauer der Entzündung an? –
Versunken lag ich ganz in Honigkelchen.
Ich duftete, die Blume schwankte still
In goldner Morgenluft. Ein innres Quellen
War ich, ein sanftes Ringen, alles floß
Durch mich und über mich und hob mich leise.
Da sank das erste Stäubchen in die Narbe,
Denkt an den Kuß nach aufgehobnem Tisch.
Ich quoll in meine eigne Flut zurück –
Es war ein Blitz – nun konnt ich schon mich regen,
Die zarten Fäden und den Kelch bewegen.
Schnell schossen, wie ich selber mich begann,
Zu irdschen Sinnen die Gedanken an.
Noch war ich blind, doch schwankten lichte Sterne
Durch meines Wesens wunderbare Ferne,
Nichts war noch nah, ich fand mich nur von weiten,
Ein Anklang alter, so wie künftger Zeiten.
Aus Wehmuth, Lieb' und Ahndungen entsprungen
War der Besinnung Wachsthum nur ein Flug,
Und wie die Wollust Flammen in mir schlug,
Ward ich zugleich vom höchsten Weh durchdrungen.
Die Welt lag blühend um den hellen Hügel,
Die Worte des Profeten wurden Flügel,
Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde
Vereinten Beide sich zu Einem Bilde. –
Ich hob mich nun gen Himmel neugebohren,
Vollendet war das irdische Geschick
Im seligen Verklärungsaugenblick,
Es hatte nun die Zeit ihr Recht verlohren
Und forderte, was sie geliehn, zurück.
Es bricht die neue Welt herein
Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein
Man sieht nun aus bemoosten Trümmern
Eine wunderseltsame Zukunft schimmern
Und was vordem alltäglich war
Scheint jetzo fremd und wunderbar.
Eins in allem und alles im Einen
Gottes Bild auf Kräutern und Steinen
Gottes Geist in Menschen und Thieren,
Dies muß man sich zu Gemüthe führen.
Keine Ordnung mehr nach Raum und Zeit
Hier Zukunft in der Vergangenheit
Der Liebe Reich ist aufgethan
Die Fabel fängt zu spinnen an.
Das Urspiel jeder Natur beginnt
Auf kräftige Worte jedes sinnt
Und so das große Weltgemüth
Überall sich regt und unendlich blüht.
Alles muß in einander greifen
Eins durch das Andre gedeihn und reifen;
Jedes in Allen dar sich stellt
Indem es sich mit ihnen vermischet
Und gierig in ihre Tiefen fällt
Sein eigenthümliches Wesen erfrischet
Und tausend neue Gedanken erhält.
Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt
Und was man geglaubt, es sey geschehn
Kann man von weiten erst kommen sehn.
Frey soll die Fantasie erst schalten,
Nach ihrem Gefallen die Fäden verweben
Hier manches verschleyern, dort manches entfalten,
Und endlich in magischen Dunst verschweben.
Wehmuth und Wollust, Tod und Leben
Sind hier in innigster Sympathie –
Wer sich der höchsten Lieb' ergeben,
Genest von ihren Wunden nie.
Schmerzhaft muß jenes Band zerreißen,
Was sich ums innre Auge zieht,
Einmal das treuste Herz verwaisen,
Eh es der trüben Welt entflieht.
Der Leib wird aufgelöst in Thränen,
Zum weiten Grabe wird die Welt,
In das, verzehrt von bangen Sehnen,
Das Herz, als Asche, niederfällt.
~~~*~~~
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"Wem regt sich nicht", rief der Jüngling mit funkelndem Auge, "das Herz in hüpfender Lust,
wenn ihm das innerste Leben der Natur in seiner ganzen Fülle in das Gemüt kommt! wenn dann
jenes mächtige Gefühl, wofür die Sprache keine andere Namen als Liebe und Wollust hat, sich
in ihm ausdehnt, wie ein gewaltiger, alles auflösender Dunst, und er bebend in süßer Angst in
den dunkeln lockenden Schoß der Natur versinkt, die arme Persönlichkeit in den
überschlagenden Wogen der Lust sich verzehrt, und nichts als ein Brennpunkt der
unermeßlichen Zeugungskraft, ein verschluckender Wirbel im großen Ozean übrigbleibt! Was ist
die überall erscheinende Flamme? Eine innige Umarmung, deren süße Frucht in wollüstigen
Tropfen heruntertaut. Das Wasser, dieses erstgeborne Kind luftiger Verschmelzungen, kann
seinen wollüstigen Ursprung nicht verleugnen und zeigt sich, als Element der Liebe und der
Mischung mit himmlischer Allgewalt auf Erden. Nicht unwahr haben alte Weisen im Wasser den
Ursprung der Dinge gesucht, und wahrlich sie haben von einem höhern Wasser, als dem Meer-
und Quellwasser gesprochen. In jenem offenbaret sich nur das Urflüssige, wie es im flüssigen
Metall zum Vorschein kommt, und darum mögen die Menschen es immer auch nur göttlich
verehren. Wie wenige haben sich noch in die Geheimnisse des Flüssigen vertieft und manchem
ist diese Ahndung des höchsten Genusses und Lebens wohl nie in der trunkenen Seele
aufgegangen. Im Durste offenbaret sich diese Weltseele, diese gewaltige Sehnsucht nach dem
Zerfließen. Die Berauschten fühlen nur zu gut diese überirdische Wonne des Flüssigen, und am
Ende sind alle angenehme Empfindungen in uns mannigfache Zerfließungen, Regungen jener
Urgewässer in uns. Selbst der Schlaf ist nichts als die Flut jenes unsichtbaren Weltmeers, und
das Erwachen das Eintreten der Ebbe. Wie viele Menschen stehn an den berauschenden Flüssen
und hören nicht das Wiegenlied dieser mütterlichen Gewässer, und genießen nicht das
entzückende Spiel ihrer unendlichen Wellen!"
(Novalis aus 'die Lehrlinge zu Sais')
~~~*~~~
Lied der Toten (Ausschnitt)
Leiser Wünsche süßes Plaudern
Hören wir allein, und schauen
Immerdar in sel'ge Augen,
Schmecken nichts als Mund und Kuss.
Alles, was wir nur berühren,
Wird zu heißen Balsamfrüchten,
Wird zu weichen zarten Brüsten,
Opfer kühner Lust.
Immer wächst und blüht Verlangen
Am Geliebten festzuhangen,
Ihn im Innern zu empfangen,
Eins mit ihm zu sein,
Seinem Durste nicht zu wehren,
Sich im Wechsel zu verzehren,
Voneinander sich zu nähren,
Voneinander nur allein.
+++
lapsit exillis : Novalis : Geistliche Lieder VII : Hymne : Wenige wissen das Geheimnis der Liebe
Friedrich von Hardenberg
(Novalis)
:
Geistliche Lieder (1798)
VII.
Hymne
Wenige wissen
Das Geheimnis der Liebe,
Fühlen Unersättlichkeit
Und ewigen Durst.
Des Abendmahls
Göttliche Bedeutung
Ist den irdischen Sinnen Räthsel;
Aber wer jemals
Von heißen, geliebten Lippen
Athem des Lebens sog,
Wem heilige Gluth
In zitternde Wellen das Herz schmolz,
Wem das Auge aufging,
Daß er des Himmels
Unergründliche Tiefe maß,
Wird essen von seinem Leibe
Und trinken von seinem Blute
Ewiglich.
Wer hat des irdischen Leibes
Hohen Sinn errathen?
Wer kann sagen,
Daß er das Blut versteht?
Einst ist alles Leib,
Ein Leib,
In himmlischem Blute
Schwimmt das selige Paar. -
O! daß das Weltmeer
Schon erröthete,
Und in duftiges Fleisch
Aufquölle der Fels!
Nie endet das süße Mahl,
Nie sättigt die Liebe sich.
Nicht innig, nicht eigen genug
Kann sie haben den Geliebten.
Von immer zärteren Lippen
Verwandelt wird das Genossene
Inniglicher und näher.
Heißere Wollust
Durchbebt die Seele.
Durstiger und hungriger
Wird das Herz:
Und so währet der Liebe Genuß
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Hätten die Nüchternen
Einmal gekostet,
Alles verließen sie,
Und setzten sich zu uns
An den Tisch der Sehnsucht,
Der nie leer wird.
Sie erkennten der Liebe
Unendliche Fülle,
Und priesen die Nahrung
Von Leib und Blut.
~~~*~~~
HYMNEN der NACHT
Welcher Lebendige, Sinnbegabte,
liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raums um ihn,
das allerfreuliche Licht -
mit seinen Strahlen und Wogen, seinen Farben,
seiner milden Allgegenwart, im Tage.
Wie des Lebens innerste Seele
atmet es die Riesenwelt der rastlosen Gestirne,
die in seinem blauen Meere schwimmen -
atmet es der funkelnde Stein,
die ruhige Pflanze,
und der Tiere vielgestaltete immerbewegte Kraft -
atmen es vielfarbige Wolken und Lüfte
vor allen herrliche Fremdlinge mit den sinnvollen Augen,
dem schwebenden Gange,
und dem tönenden Munde.
Wie ein König der irdischen Natur
ruft es jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen.
Seine Gegenwart allein offenbart
die Wunderherrlichkeit des irdischen Reichs.
Abwärts wend ich mich zu der heiligen,
unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht.
Fernab liegt die Welt -
wie versenkt in eine tiefe Gruft -
wie wüst und einsam ihre Stelle!
Tiefe Wehmut weht in den Saiten der Brust.
Fernen der Erinnerung,
Wünsche der Jugend,
der Kindheit Träume,
des langen Lebens kurze Freuden
und vergebliche Hoffnungen
kommen in grauen Kleidern,
wie Abendnebel nach der Sonne Untergang.
In andern Räumen schlug das Licht auf
die lustigen Gezelte.
Sollte es nie wiederkommen
zu seinen treuen Kindern,
seinen Gärten, in sein herrliches Haus?
Doch was quillt so kühl und erquicklich,
so ahndungsvoll unterm Herzen
und verschluckt der Wehmut weiche Luft?
Hast auch du ein menschliches Herz,
dunkle Macht?
Was hältst du unter deinem Mantel,
das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht?
Du scheinst nur furchtbar -
Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand,
aus dem Bündel Mohn.
In süßer Trunkenheit entfaltest du
die schweren Flügel des Gemüths,
und schenkst uns Freuden, dunkel und unaussprechlich.
Heimlich wie du selbst,
bist Freuden, die uns
einen Himmel ahnden lassen.
Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht
mit seinen bunten Dingen,
wie erfreulich und gesegnet,
des Tages Abschied.
Also nur darum, weil die Nacht dir
abwendig macht die Dienenden,
sätest du in des Raumes Weiten
die leuchtenden Kugeln,
zu verkünden deine Allmacht, deine Wiederkehr,
in den Zeiten deiner Entfernung.
Himmlischer als jene blitzenden Sterne
in jenen Weiten,
dünken uns die unendlichen Augen,
die die Nacht in uns geöffnet.
Weiter sehn sie, als die blässesten jener zahllosen Heere,
unbedürftig des Lichts durchschauen sie die Tiefen
eines liebenden Gemüts,
was einen höhern Raum
mit unsäglicher Wollust füllt.
Preis der Weltkönigin,
der hohen Verkünderin heiliger Welt,
der Pflegerin seeliger Liebe.
Du kommst Geliebte -
Die Nacht ist da -
Entzückt ist meine Seele -
Vorüber ist der irdische Tag
und du bist wieder mein.
Ich schaue dir ins tiefe dunkle Auge,
sehe nichts als Lieb und Seeligkeit.
Wir sinken auf der Nacht Altar,
aufs weiche Lager -
die Hülle fällt
und angezündet von dem warmen Druck
entglüht des süßen Opfers
reine Glut.
Muß immer der Morgen wiederkommen?
Endet nie des irdischen Gewalt?
Unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht.
Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen?
Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit,
und dem Wachen.
Aber zeitlos ist der Nacht Herrschaft,
ewig ist die Dauer des Schlafs.
Heiliger Schlaf!
Beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte
in diesem irdischen Tagwerk.
Nur die Toren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe
als den Schatten, den du mitleidig auf uns wirfst,
in jener Dämmerung, der wahrhaftigen Nacht.
Sie fühlen dich nicht
in der goldenen Flut der Trauben,
in des Mandelbaums Wunderöl
und dem braunen Safte des Mohns.
Sie wissen nicht, daß du es bist,
der des zarten Mädchens Busen umschwebt,
und zum Himmel den Schoß macht -
Ahnden nicht,
daß aus alten Geschichten
du himmelöffnend entgegentrittst
und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seeligen,
unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.
Einst, da ich bittre Tränen vergoß,
da in Schmerz aufgelöst meine Hoffnung zerrann
und ich einsam stand an dem dürren Hügel,
der in engem ,dunklem Raum die Gestalt meines Lebens begrub,
einsam, wie noch kein Einsamer war,
von unsäglicher Angst getrieben,
kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch -
wie ich da nach Hilfe umherschaute,
vorwärts nicht konnte und rückwärts nicht -
und am fliehenden, verlöschten Leben
mit unendlicher Sehnsucht hing -
da kam aus blauen Fernen,
von den Höhen meiner alten Seeligkeit
ein Dämmrungsschauer -
und mit einemal riß das Band der Geburt,
des Lichtes Fessel -
hin floh die irdische Herrlichkeit
und meine Trauer mit ihr.
Zusammen floß die Wehmut
in eine neue unergründliche Welt -
Du Nachtbegeisterung,
Schlummer des Himmels kamst über mich.
Die Gegend hob sich sacht empor,
über der Gegend schwebte mein entbundener neugeborener Geist.
Zur Staubwolke wurde der Hügel
und durch die Wolke sah ich die verklärten Züge der Geliebten.
In ihren Augen ruhte die Ewigkeit -
ich faßte ihre Hände
und die Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band.
Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie Ungewitter -
An ihrem Halse weinte ich dem Leben entzückende Tränen.
Das war der erste Traum in dir.
Er zog vorüber, aber sein Abglanz blieb der ewige,
unerschütterliche Glauben an den Nachthimmel
und seine Sonne, die Geliebte
Nun weiß ich, wann der letzte Morgen sein wird -
wenn das Licht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht,
wenn der Schlummer ewig
und nur ein unerschöpflicher Traum sein wird.
Himmlische Müdigkeit verläßt mich nun nie wieder.
Weit und mühsam war der Weg zum heiligen Grabe
und das Kreuz war schwer.
Wessen Mund einmal die kristallene Woge netzte,
die gemeinen Sinnen unsichtbar,
quillt in des Hügels dunklen Schoß,
an dessen Fuß die irdische Flut bricht,
wer oben stand auf diesem Grenzgebirge der Welt und hinüber sah,
in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz,
wahrlich der kehrt nicht in das Treiben der Welt zurück,
in das Land,
wo das Licht regiert
und ewige Unruh haust.
Oben baut er sich Hütten, Hütten des Friedens,
sehnt sich und liebt, schaut hinüber,
bis die willkommendste aller Stunden ihn hinunter
in den Brunnen der Quelle zieht.
Alles Irdische schwimmt obenauf
und wird von der Höhe hinabgespült,
aber was heilig ward durch der Liebe Berührung,
rinnt aufgelöst in verborgenen Gängen
auf das jenseitige Gebiet,
wo es, wie Wolken sich,
mit entschlummerten Lieben mischt.
Noch weckst du muntres Licht,
den müden zur Arbeit -
flößest fröhliches Leben mir ein.
Aber du lockst mich von der Erinnerung moosigem Denkmal nicht.
Gern will ich die fleißigen Hände rühren,
überall umschauen, wo du mich brauchst,
rühmen deines Glanzes volle Pracht,
unverdrossen verfolgen den schönen Zusammenhang
deines künstlichen Werks,
gern betrachten den sinnvollen Gang
deiner gewaltigen leuchtenden Uhr,
ergründen der Kräfte Ebenmaß,
und die Regeln des Wunderspiels unzähliger Räume
und ihrer Zeiten.
Aber getreu der Nacht bleibt mein geheimes Herz
und ihrer Tochter, der schaffenden Liebe.
Kannst du mir zeigen ein ewigtreues Herz?
Hat deine Sonne freundliche Augen, die mich erkennen?
Fassen deine Sterne meine verlangende Hand?
Geben sie mir wieder den zärtlichen Druck?
Hast du mit Farben und leichtem Umriß sie geschmückt?
Oder war sie es, die deinem Schmuck höhere, lieber Bedeutung gab?
Welche Wollust, welchen Genuß, bietet dein Leben,
die aufwögen des Todes Entzückungen.
Trägt nicht alles was uns begeistert,
die Farbe der Nacht -
sie trägt dich mütterlich
und ihr verdankst du all deine Herrlichkeit.
Du verflögest in dir selbst,
in endlosem Raum zergingest du,
wenn sie dich nicht hielte, dich nicht bände,
daß du warm würdest und flammend die Welt zeugtest.
Wahrlich, ich war, ehe du warst.
Mit meinem Geschlecht schickte die Mutter mich,
zu bewohnen deine Welt
und zu heiligen sie mit Liebe,
zu geben menschlichen Sinn deinen Schöpfungen.
Noch reiften sie nicht, diese göttlichen Gedanken.
Noch sind der Spuren unserer Gegenwart wenig.
Einst zeigt deine Uhr das Ende der Zeit,
wenn du wirst wie unser einer
und voll Sehnsucht auslöschest und stirbst.
In mir fühl ich der Geschäftigkeit Ende,
himmlische Freiheit,
seelige Rückkehr.
In wilden Schmerzen erkenn ich deine Entfernung
von unserer Heimat,
deine Widerstand gegen den alten,
herrlichen Himmel.
Umsonst ist deine Wut, dein Toben.
Unverbrennlich steht das Kreuz,
eine Siegesfahne unseres Geschlechts.
Hinüber wall ich
und jede Pein
wird einst ein Stachel
der Wollust sein.
Noch wenig Zeiten,
so bin ich los,
und liege trunken
der Lieb im Schoß.
Unendliches Leben
wogt mächtig in mir,
ich schaue von oben
herunter nach dir.
An jenem Hügel
verlischt dein Glanz -
ein Schatten bringet
den kühlenden Kranz.
O sauge, Geliebter,
gewaltig mich an,
daß ich entschlummern
und lieben kann.
Ich fühle des Todes
verjüngende Flut,
zu Balsam und Äther
verwandelt mein Blut -
ich lebe bei Tage
voll Glauben und Mut
und sterbe die Nächte
in heiliger Glut
Über der Menschen weitverbreitete Stämme
herrschte vor Zeiten
ein eisernes Schicksal mit stummer Gewalt.
Eine dunkle schwere Binde lag um ihre bange Seele.
Unendlich war die Erde,
der Götter Aufenthalt und ihre Heimat,
reich an Kleinodien
und herrlichen Wundern.
Seit Ewigkeiten stand ihr geheimnisvoller Bau.
Über des Morgens blauen Bergen,
in des Meeres heiligem Schoß
wohnte die Sonne,
das allzündende, lebendige Licht.
Ein alter Riese trug die seelige Welt.
Fest unter Bergen lagen die Ursöhne der Mutter Erde -
Ohnmächtig in ihrer zerstörenden Wut
gegen das neue herrliche Göttergeschlecht
und die befreundeten, fröhlichen Menschen.
Des Meeres dunkle blaue Tiefe
war einer Göttin Schoß.
Himmlische Scharen wohnten in fröhlicher Lust
in den kristallenen Grotten -
Flüsse und Bäume, Blumen und Tiere
hatten menschlichen Sinn.
Süßer schmeckte der Wein
weil ihn blühende Götterjugend
den Menschen gab -
des goldnen Korns volle Garben
waren ein göttliches Geschenk.
Der Liebe trunkne Freuden
ein heiliger Dienst der himmlischen Schönheit.
So war das Leben ein ewiges Fest der Götter und Menschen.
Und kindlich verehrten alle Geschlechter
die zarte, köstliche Flamme
als das Höchste der Welt.
Nur ein Gedanke wars...
Der furchtbar zu den hohen Tischen trat
und das Gemüt in wilde Schrecken hüllte,
hier wußten selbst die Götter keinen Rat,
der das Gemüt mit süßem Troste füllte,
geheimnisvoll war dieses Unholds Pfad,
des Wut kein Flehn und keine Gabe stillte -
Es war der Tod, der dieses Lustgelag
mit Angst und Schmerz und Tränen unterbrach.
Auf ewig nun von allem abgeschieden
was hier das Herz in süßer Wollust regt -
getrennt von den Geliebten, die hinieden
vergebne Sehnsucht, langes Weh bewegt -
schien nur dem Toten matter Traum beschieden,
ohnmächtges Ringen nur ihm auferlegt.
Zerbrochen war die Woge des Genusses
am Felsen des unendlichen Verdrusses.
Mit kühnem Geist und hoher Sinnenglut
verschönte sich der Mensch die graue Larve -
ein blasser Jüngling löscht das Licht und ruht -
sanft ist das Ende, wie ein Wehn der Harfe -
Erinnerung schmilzt in kühler Schattenflut,
die Dichtung sangs dem traurigen Bedarfe,
doch unenträtselt blieb die ewige Nacht,
das ernste Zeichen einer fernen Macht.
Zu Ende neigte die alte Welt sich.
Der lustige Garten des jungen Geschlechts verwelkte
und hinaus in den freieren Raum
strebten die erwachsenen unkindlichen Menschen.
Verschwunden waren die Götter.
Einsam und leblos stand die Natur
entseelt von der strengen Zahl,
und der eisernen Kette Gesetze wurden.
Und in Begriffe wie in Staub und Lüfte
zerfiel die unermeßliche Blüte
des tausendfachen Lebens.
Entflohn war der allmächtige Glaube
und die allverwandelnde, allverschwisternde
Himmelsgenossin, die Phantasie.
Unfreundlich blies ein kalter Nordwind
über die erstarrte Flur
und die Wunderheimat verflog in den Aether
und des Himmels unendliche Fernen
füllten mit leuchtenden Welten sich.
Ins tiefere Heiligtum,
in des Gemüts höhern Raum
zog die Seele der Welt mit ihren Mächten,
zu walten dort bis zum Anbruch
des neuen Tages,
der höheren Weltherrlichkeit.
Nicht mehr war das Licht der Götter aufenthalt
und himmlisches Zeichen -
den Schleier der Nacht warfen sie über sich,
die Nacht ward der Offenbarungen fruchtbarer Schoß.
Mitten unter den Menschen, im Volk,
das vor allen verachtet,
zu früh reif, und der seeligen Unschuld der Jugend
trotzig fremd geworden war,
erschien die neue Welt
mit niegesehnem Angesicht -
in der Armut wunderbarer Hütte -
ein Sohn der ersten Jungfrau und Mutter -
geheimnisvoller Umarmung unendliche Frucht.
Des Morgenlands ahnende, blütenreiche Weisheit
erkannte zuerst der neuen Zeit Beginn.
Ein Stern wies ihr den Weg
zu des Königs demütiger Wiege.
In der weiteren Zukunft Namen
huldigte sie ihm mit Glanz und Duft,
den höchsten Wundern der Natur.
Einsam entfaltete das himmlische Herz sich
zu der Liebe glühenden Schoß,
des Vaters hohen Antlitz zugewandt -
und ruhend an dem ahndungs seelgen Busen
der lieblichernsten Mutter.
Mit vergötterter Inbrunst
schaute das weissagende Auge des blühenden Kindes
auf die Tage der Zukunft,
nach seinen Geliebten,
den Sprossen seines Götterstamms,
unbekümmert über seiner Tage irdisches Schicksal.
Bald sammelten die kindlichsten Gemüter,
von allmächtiger Liebe wundersam ergriffen,
sich um ihn her.
Wie Blumen keimte ein neues, fremdes Leben
in seiner Nähe -
unerschöpfliche Worte
und der Botschaften fröhlichste
fielen wie Funken eines göttlichen Geistes
von seinen freundlichen Lippen.
Von ferner Küste, unter Hellas heiterm Himmel geboren
kam ein Sänger nach Palästina.
Und ergab sein ganzes Herz
dem Wunderkinde:
Der Jüngling bist du, der seit langer Zeit
auf unsern Gräbern steht in tiefem Sinnen -
ein tröstlich Zeichen in der Dunkelheit,
der höhern Menschheit freudiges Beginnen.
Was uns gesenkt in tiefe Traurigkeit,
zieht uns mit süßer Sehnsucht nun von hinnen.
Im Tode ward das ewge Leben kund -
Du bist der Tod und machst uns erst gesund.
Der Sänger zog voll Freudigkeit nach Indostan
und nahm ein Herz voll ewger Liebe mit,
und schüttete in feurigen Gesängen
es unter jenem milden Himmel aus,
der traulicher an die Erde sich schmiegt,
daß tausend Herzen sich zu ihm neigten
und die fröhliche Botschaft tausendzweigig emporwuchs.
Bald nach des Sängers Abschied ward das köstliche Leben
ein Opfer des menschlichen, tiefen Verfalls -
er starb in jungen Jahren,
weggerissen von der geliebten Welt,
von der weinenden Mutter
und seinen Freunden.
Der unsäglichen Leiden dunkeln Kelch
leerte der heilige Mund,
in entsetzlicher Angst,
naht ihm die Stunde der Geburt der neuen Welt.
Hart rang er mit des alten Todes Schrecken,
schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm,
noch einmal sah er freundlich nach der Mutter -
da kam der ewigen Liebe erlösende Hand -
und er entschlief.
Nur wenige Tage hing ein tiefer Schleier
über das brausende Meer -
über das finstre bebende Land.
Unzählige Tränen weinten die Geliebten.
Entsiegelt ward das Geheimnis,
himmlische Geister hoben den uralten Stein vom dunklen Grabe -
Engel saßen bei dem Schlummernden,
lieblicher Träume zartes Sinnbild.
Er stieg in neuer Götterherrlichkeit
erwacht auf die Höhe der verjüngten, neugebornen Welt,
begrub mit eigner Hand
die alte mit ihm gestorbne Welt
in die verlaßne Höhle
und legte mit allmächtiger Kraft den Stein,
den keine Macht erhebt, darauf.
Noch weinen deine Lieben Tränen der Freude,
Tränen der Rührung und des unendlichen Danks
an deinem Grabe -
Sehn dich noch immer freudig erschreckt auferstehn
und sich mit dir -
mit süßer Inbrunst weinen an der Mutter
seeligem Busen
und an der Freunde treuem Herzen -
eilen mit voller Sehnsucht in des Vaters Arm,
bringend die junge kindliche Menschheit
und der goldenen Zukunft unversieglichen Trank.
Die Mutter eilte bald dir nach
in himmlischem Triumph -
sie war die erste in der neuen Heimat bei dir.
Lange Zeiten entflossen seitdem
und in immer höherm Glanze
regte deine neue Schöpfung sich,
und tausende zogen aus Schmerzen und Qualen,
voll Glauben und Sehnsucht und Treue dir nach,
und walten mit dir und der himmlischen Jungfrau
im Reiche der Liebe,
und dienen im Tempel des himmlischen Todes.
Gehoben ist der Stein
Die Menschheit ist erstanden
Wir alle bleiben dein
Und fühlen deine Banden
Der herbste Kummer fleucht
Vor deiner goldnen Schale
Im letzten Abendmale
Wenn Erd und Leben weicht.
Zur Hochzeit ruft der Tod
Die Lampen brennen helle
Die Jungfraun sind zur Stelle
Um Öl ist keine Not.
Erklänge doch die Ferne
Von deinem Zuge schon
Und ruften uns die Sterne
Mit Menschenzung und Ton.
Nach dir, Maria, heben
Schon tausend Herzen sich
In diesem Schattenleben
Verlangten sie nur dich.
Sie hoffen zu genesen
Mit ahndungsvoller Lust
Drückst du sie, heilges Wesen
An deine teure Brust.
So manche die sich glühend
In bittrer Qual verzehrt
Und dieser Welt entfliehend
Nur dir sich zugekehrt
Die hilfreich uns erschienen
In mancher Not und Pein -
Wir kommen nun zu ihnen
Um ewig da zu sein.
Nun weint an keinem Grabe
Für Schmerz, wer liebend glaubt.
Der Liebe süße Habe
Wird keinem nicht geraubt.
Von treuen Himmelskindern
Wird ihm sein Herz bewacht
Die Sehnsucht ihm zu lindern
Begeistert ihn die Nacht.
Getrost das Leben schreitet
Zum ewgen Leben hin
Von innrer Glut geweitet
Verklärt sich unser Sinn.
Die Sternenwelt wird zerfließen
Zum goldnen Lebens Wein
Wir werden sie genießen
Und lichte Sterne sein.
Die Lieb ist frei gegeben
Und keine Trennung mehr
Es wogt das volle Leben
Wie ein unendlich Meer -
Nur eine Nacht der Wonne
Ein ewiges Gedicht -
Und unser aller Sonne
Ist Gottes Angesicht.


Hinunter in der Erde Schoß
Weg aus des Lichtes Reichen
Der Schmerzen Wut und wilder Stoß
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.
Gelobt sei uns die ewge Nacht
Gelobt der ewge Schlummer
Wohl hat der Tag uns warm gemacht
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus
Zum Vater wollen wir nach Haus.
Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb und Treue -
Das Alte wird hintan gestellt
Was kümmert uns das Neue.
O! einsam steht und tiefbetrübt
Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.
Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmut
Geweiht sein süßes Leben
Und Angst und Schmerzen nicht von sich trieb
Damit er uns nur teuer blieb.
Die Vorzeit wo an Blüten reich
Uralte Stämme prangten
Und Kinder für das Himmelreich
Nach Tod und Qual verlangten
Und wenn auch Lust und Leben sprach
Doch manches Herz für Liebe brach.
Die Vorzeit wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch manche seinem Urbild glich.
Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
In dunkle Nacht gehüllet
Und hier auf dieser Welt wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heimat gehn
Um diese heilge Zeit zu sehn.
Was hält noch unsre Rückkehr auf -
Die Liebsten ruhn schon lange
Ihr Grab schließt unsern Lebenslauf
Nun wird uns weh und bange
Zu suchen haben wir nichts mehr -
Das Herz ist satt, die Welt ist leer.
Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer
Mir deucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Heimat Hauch.
Hinunter zu der süßen Braut
Zu Jesus dem Geliebten
Getrost die Abenddämmrung graut
Den Liebenden, Betrübten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoß.
(NOVALIS)
~~~*~~~
DER HÖCHSTE WEG
Der höchste Weg ist gar nicht schwer,
Nur abhold wählerischer Wahl.
Wo weder Liebe noch Haß,
Ist alles offen und klar.
Aber die kleinste Unterscheidung
Bringt eine Distanz wie zwischen Himmel und Erde.
Soll es sich dir offenbaren,
Laß Abneigung wie Vorliebe beiseite.
Der Konflikt zwischen Neigung und Abneigung
Ist eine Krankheit des Geistes.
Wird diese tiefe Wahrheit nicht verstanden,
Versuchst du deine Gedanken vergeblich zu beruhigen.
Der Weg ist vollkommen wie leerer Raum,
Ohne Mangel und ohne Überfluß.
Nur wenn du wählst und zurückweist,
Geht das So-sein verloren.
Jage nicht äußeren Erscheinungen nach.
Verharre auch nicht in der Erfahrung der Leerheit.
Bleibe gelassen im Einen,
Und alle Verwirrung verschwindet von selbst.
Willst du die Bewegung des Geistes zum Stillstand bringen,
Ist dieses Bemühen selbst nur wieder Tätigkeit.
Wie willst du je das Eine erfahren,
Wenn du in die Zweiheit verstrickt bleibst?
Wer ins Eine nicht vordringt,
Wird in keinem Bereich daheim sein.
Das, was ist, zu verachten heißt,
Das, was ist, zu verlieren.
Der Leerheit zu folgen heißt,
Sich gegen die Leerheit wenden.
Je mehr Worte und Gedanken,
Desto weiter entfernt von der Wirklichkeit.
Schneide Worte und Gedanken ab,
Und es durchdringt alles.
Kehrst du zur Wurzel zurück,
Erfaßt du die Wahrheit.
Hängst du der Erscheinungswelt nach,
Verfehlst du das Wesen.
Ein Augenblick innerer Erleuchtung
Trägt über die erste Leere hinaus:
Daß in der Leere scheinbar Veränderung ist,
Ist nichts als Täuschung.
Kein Grund, die Wahrheit zu suchen.
Laß all deine Meinungen fahren.
Zwiespältigkeit halte nicht fest.
Sei achtsam und folge ihr nicht.
Auch nur eine Spur von richtig und falsch,
Und der Geist ist in Wirren verloren.
Weil es das Eine gibt, existieren die Zwei,
Doch halt auch nicht fest an dem Einen.
Wenn der Geist der Einheit nicht entsteht,
Sind alle zehntausend Dinge ohne Fehl.
Wo kein Fehl, ist auch kein Ding.
Das Subjekt vergeht mit dem Objekt,
Das Objekt vergeht mit dem Subjekt,
Das Objekt ist Objekt wegen des Subjekts.
Und Subjekt ist Subjekt wegen des Objekts.
Willst du beide Aspekte verstehen:
Sie sind ursprünglich die eine Leerheit.
Die eine Leerheit ist die gleiche in beiden.
In gleicher Weise enthalten sie alle Dinge.
Unterscheidest du nicht zwischen fein und grob,
Wie kann es dann Vorurteile geben.
Der große Weg ist dem Wesen nach weit.
Nichts ist leicht, nichts schwierig.
Engherzige Ansicht führt zu Besorgnis.
Je mehr du eilst, um so länger brauchst du.
Hängst du an solchen Ansichten, verlierst du das Maß
Und gehst in die Irre.
Laß los, und alles ist natürlich.
In der Wesensnatur gibt es kein Kommen und Gehen.
Handle gemäß deiner Natur,
Und du stimmst mit dem Weg überein,
Gehst ihn gelassen und frei ohne Sorge.
Gedanken lenken ab von der Wahrheit.
Aber ein dumpfer Geist befreit auch nicht.
Das lästige Urteilen verwirrt den Geist.
Was hilft es schon, für oder gegen etwas zu sein?
Wenn du das eine Fahrzeug nehmen willst,
Hege keine Abneigung gegen die Welt der Sinne.
In der Tat, wer die Sinnenwelt nicht haßt,
Ist eins mit der wahren Erleuchtung.
Die Weisen haben keine Ziele,
Die Unwissenden lassen sich fesseln,
Denn obwohl es einen Unterschied zwischen den Dingen nicht gibt,
Bleiben sie an manchen hängen
Ist das nicht ein gewaltiger Fehler?
Ruhe und Unruhe kommen aus der Illusion,
Erleuchtung kennt weder Vorliebe noch Abneigung.
Alle dualistischen Ansichten kommen aus falschen Schlüssen.
Sie sind Träume, Phantasien und Flecken vor deinen Augen.
Warum versuchst du, sie zu fassen?
Gewinnen und verlieren, richtig und falsch,
Laß sie ein für allemal ziehen.
Wenn die Augen nie schlafen.
Hören die Träume von selbst auf.
Wenn der Geist nicht unterscheidet,
Sind alle Dinge das eine Sosein.
Das Wesen dieses einen Soseins ist ein Geheimnis:
Unbewegt, absolut, alle karmische Bindung vergessen.
Siehst du alle Dinge gleich,
Kehren sie beim zum natürlichen Sein:
Ursachen verschwinden, und Vergleiche sind nicht möglich.
Bewege dich nicht, und die Bewegung hört auf.
Wird Ruhe bewegt, so entsteht Unruhe.
Wenn beide nicht sind, kann eines dann sein?
Letztlich gibt es keine Regeln.
Der Geist in Einklang mit dem Weg hart auf, zu planen und zu streben.
Wenn Zweifel und Argwohn ausgeräumt,
Ist wahrer Glaube leicht gewonnen.
Alle Dinge sind vergänglich,
Nicht notwendig, sie sich zu merken.
Leer, klar und selbstleuchtend bemüht sich der Geist nicht,
Das ist der Ort des Nichtdenkens,
Schwer auszuloten mit Intellekt und Gefühl.
In der Dharmawelt des Soseins ist kein Anderes und kein Ich.
Wenn man dich bittet, es sofort zu erklären,
Kannst du nur sagen: "Nicht-Zwei".
Wenn "Nicht-Zwei", dann ist alles gleich,
Nichts, was nicht eingeschlossen wäre.
Die Weisen der zehn Richtungen
Sind alle in diese Weisheit eingetreten.
Es ist jenseits von Ausdehnung und Zusammenziehung.
Ein Augenblick der Wahrnehmung ist zehntausend Jahre.
Weder Sein noch Nichtsein,
Das ganze Universum liegt vor deinen Augen.
Das unendlich KIeine ist gleich dem Großen,
Grenzen sind verschwunden.
Das unendlich Breite ist gleich dem Schmalen,
Keine Teilung ist sichtbar.
Sein ist nichts anderes als Nichtsein,
Nichtsein nichts anderes als Sein.
Wenn es für dich nicht so ist,
Bleib keinesfalls in diesem Bewußtseinszustand.
Alles ist eins, eines ist alles.
Wenn du das erfährst,
Warum ängstigst du dich dann,
Vollendung nicht zu erreichen?
Der Glaubensgeist ist Nicht-Zwei,
Nicht-Zwei ist der Glaubensgeist.
Worte gehen fehl, es zu benennen.
Es ist nicht von der Vergangenheit,
der Zukunft oder Gegenwart.
Novalis (Friedrich von Hardenberg)
Hymne
Wenige wissen

Das Geheimnis der Liebe,

Fühlen Unersättlichkeit

Und ewigen Durst.
5
Des Abendmahls

Göttliche Bedeutung

Ist den irdischen Sinnen Rätsel;

Aber wer jemals

Von heißen, geliebten Lippen
10
Atem des Lebens sog,

Wem heilige Glut

In zitternde Wellen das Herz schmolz,

Wem das Auge aufging,

Daß er des Himmels
15
Unergründliche Tiefe maß,

Wird essen von seinem Leibe

Und trinken von seinem Blute

Ewiglich.

Wer hat des irdischen Leibes
20
Hohen Sinn erraten?

Wer kann sagen,

Daß er das Blut versteht?

Einst ist alles Leib,

Ein Leib,
25
In himmlischem Blute

Schwimmt das selige Paar. ?

O! daß das Weltmeer

Schon errötete,

Und in duftiges Fleisch
30
Aufquölle der Fels!

Nie endet das süße Mahl,

Nie sättigt die Liebe sich.

Nicht innig, nicht eigen genug

Kann sie haben den Geliebten.
35
Von immer zärteren Lippen

Verwandelt wird das Genossene

Inniglicher und näher.

Heißere Wollust

Durchbebt die Seele.
40
Durstiger und hungriger

Wird das Herz:

Und so währet der Liebe Genuß

Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Hätten die Nüchternen
45
Einmal gekostet,

Alles verließen sie,

Und setzten sich zu uns

An den Tisch der Sehnsucht,

Der nie leer wird.
50
Sie erkennten der Liebe

Unendliche Fülle,

Und priesen die Nahrung

Von Leib und Blut.

Novalis (Friedrich von Hardenberg)
[Der ist der Herr der Erde]
Der ist der Herr der Erde,
Wer ihre Tiefen mißt,
Und jeglicher Beschwerde
In ihrem Schoß vergißt.
5 Wer ihrer Felsenglieder
Geheimen Bau versteht,
Und unverdrossen nieder
Zu ihrer Werkstatt geht.
Er ist mit ihr verbündet,
10 Und inniglich vertraut,
Und wird von ihr entzündet,
Als wär sie seine Braut.
Er sieht ihr alle Tage
Mit neuer Liebe zu
15 Und scheut nicht Fleiß und Plage,
Sie läßt ihm keine Ruh.
Die mächtigen Geschichten
Der längst verfloßnen Zeit,
Ist sie ihm zu berichten
20 Mit Freundlichkeit bereit.
Der Vorwelt heilge Lüfte
Umwehn sein Angesicht,
Und in die Nacht der Klüfte
Strahlt ihm ein ewges Licht.
25 Er trifft auf allen Wegen
Ein wohlbekanntes Land,
Und gern kommt sie entgegen
Den Werken seiner Hand.
Ihm folgen die Gewässer
30 Hülfreich den Berg hinauf;
Und alle Felsenschlösser,
Tun ihre Schätz ihm auf.
Er fährt des Goldes Ströme
In seines Königs Haus,
35 Und schmückt die Diademe
Mit edlen Steinen aus.
Zwar reicht er treu dem König
Den glückbegabten Arm,
Doch frägt er nach ihm wenig
40 Und bleibt mit Freuden arm.
Sie mögen sich erwürgen
Am Fuß um Gut und Geld;
Er bleibt auf den Gebirgen
Der frohe Herr der Welt.
Novalis (Friedrich von Hardenberg)
[Hinüber wall ich]
Hinüber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust sein.
5 Noch wenig Zeiten,
So bin ich los,
Und liege trunken
Der Lieb im Schoß.
Unendliches Leben
10 Wogt mächtig in mir
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.
An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz -
15 Ein Schatten bringet
Den kühlenden Kranz.
O! sauge, Geliebter,
Gewaltig mich an,
Daß ich entschlummern
20 Und lieben kann.
Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut,
Zu Balsam und Äther
Verwandelt mein Blut -
25 Ich lebe bei Tage
Voll Glauben und Mut
Und sterbe die Nächte
in heiliger Glut
alle Bilder von der Künstlerin Sulamith Wülfing.

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